Quando Lisei Luftvogel nacque nella regione della Ruhr nel 1971, l'Europa occidentale era nel mezzo di una rivoluzione culturale. La sua infanzia difficile negli anni Settanta ha plasmato la sua vita. Dopo aver conseguito il diploma di scuola superiore, si trasferì a Perugia, dove studiò filosofia. D'estate guadagnava soldi nei mercatini degli artisti, suonando per strada o lavorando come postina. In seguito ha completato la formazione Feldenkrais. Ha frequentato anche la Facoltà di Culture e Lingue dell'Eurasia e del Mediterraneo presso l'Università di Venezia, dove ha studiato arabo e yiddish. Ha collaborato alla rivista annuale di estetica Davar di Reggio Emilia con articoli su Benjamin, Rilke e Basho. Nel 2021 ha completato un corso di scrittura creativa presso Textmanufaktur.
Langsam wie im Gefängnis geht die Zeit voran. Doch auch heute passiert etwas Besonderes. An dem Besonderem halte ich mich fest. Ich unterrichte eine Gruppe von Feldenkraislehrern auf zoom. Am Anfang bin ich aufgeregt wie ein Schulmädchen, doch meine Stimme bleibt ruhig und professionell. Die Lektion erweitert Atmung und Brustkorb. Die Leute bedanken sich bei mir. Ich bin gerührt.
Als wir einkaufen fahren wollen, springt das Auto nicht an. Es gibt keinen Muks von sich. Ich nehme alle Sicherungen raus, aber keine ist kaputt. Vielleicht die Batterie, meint der Mechaniker am Telefon. Wir fahren mit dem Fahrrad zum Coop. Wieder Schlange stehen vor dem Supermarkt. Die Leute reden nicht miteinander. Ich und mein Mann gehen getrennt rein. Wir haben uns die Arbeit aufgeteilt. Ich komme mit fünf Tüten raus. Drei mit Gemüse. Nicht alle Tüten passen hinten in den Korb, zwei hängen am Lenker.
Die Militärkontrolle habe ich hinter mir und auch meine Phobie gegen Polizeigewalt, die ich noch aus Kindertagen mit mir rumtrage. Den Stier bei den Hörnern nehmen heißt es hier. Der Stier ist selbst zu mir gekommen. Jetzt weiß ich, dass sie mir nichts anhaben können. Auch das Transparent mit dem Spruch „Wenn ich einen Fußgänger sehe, schreie ich laut“ ist verschwunden. Ein gutes Zeichen, frage ich mich.
Wir haben online ein Zimmerfahrrad gekauft. Es gibt an, wie viele Kilometer ich zurücklege. Ich kann mir vorstellen, wie weit ich mit einem richtigen Fahrrad kommen würde, wenn ich draußen herumfahren würde. Ich würde zum Fluss Po fahren, dann Richtung Meer, vielleicht nach Venedig oder Ravenna. Aber ich glaube, der Tacho funktioniert nicht richtig. Er gibt viel zu hohe Zahlen an. Draußen streiten wieder die Nachbarskinder. Mit ihrern Ballschüssen nehmen sie langsam aber sicher, den ganzen Gartenzaun auseinander.
Es wird wärmer. Wer weiß, wie lange wir hier noch so ausharren werden müssen.
Heute morgen habe ich mich durch die Internetseite der staatlichen Vorsorgekasse INPS gekämpft und mir die zustehenden 600 Euro beantragt. Acht Mal hat sich das System blockiert. Nach achtmaligem Neuladen der Seite und einer Wartezeit von zehn Minuten zwischen jedem Schritt bin ich durchgekommen, habe meine Steuernummer, meine Telefonummer, meine E-Mail und meine Kontonummer durchgegeben. Währendessen habe ich mit Freunden gechattet, die auch alle vor der Internetseite der Vorsorgekasse saßen. Einige kamen durch, andere blieben irgendwo stecken.
Ich laufe wieder meine Bahnen an der Stadtmauer lang. Immer noch fühle ich mich müde, aber ich kämpfe mich durch. Du darfst nicht aufgeben, sage ich mir. Ich laufe weiter. Auf der Mitte der Strecke steht ein Militärlaster. Zwei Soldaten blockieren die Straße. Ich drehe um. Meine Strecke ist nur noch halb so lang. Ich beobachte das Militär aus der Entfernung. Sie halten Passanten an. Ich laufe zwischen den Häusern vorbei und versuche hinter die Militärabsperrung zu gelangen. Aber an der letzten Straße, die zur Stadtmauer führt, stehen sie, in ihrer mimetischen Militärkleidung. Ich laufe wieder zurück und gehe meinen verkürzten Weg unten an der Mauer lang. Ein Stadtpolizeiauto fährt vorbei. Ich laufe weiter. Als ich am Ende meiner Strecke ankomme, erreicht mich der Militärlaster und dahinter ein anderes Stadtpolizeiauto. Ein Soldat brüllt aus dem Fenster:
„Wo gehen Sie hin, Signora?“
„Ich mache körperliche Aktivität – attività fisica.“
„Wo wohnen Sie?“
„Hier in der Nähe, Via…“
„Ok,“ sagt der Soldat und der Laster fährt wieder los. Ich atme auf. Sie haben mich gehen lassen. Befreit laufe ich die ganze Strecke zurück, bis ich zwei Damen erreiche, die mir mit ihren Hunden den Weg versperren. Ich laufe auf die Straße .
Am Nachmittag erfahre ich im Fernsehen, dass die Internetseite von der Vorsorgekasse zusammengebrochen ist. Die Daten der Antragssteller sollen sich gemicht haben. Vielleicht waren auch Hacker am Werk. Die Seite ist geschlossen worden.
Ich gehe in den Garten und schaue mir die Blumen an, die ich gepflanzt habe. Sie wachsen. Es ist Frühling.
Heute war mein schwärzester Tag. Vielleicht habe ich auch die Spitze erreicht, genau wie die Kurve der Coronavirusinfizierten Italiens. Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, unaufhörliches Warten einer Besserung, Trauer, Lustlosigkeit. Wenn man ganz unten ankommt, dann sieht man am Ende des Tunnels ein Licht, hatte damals bei einer Vorlesung meine Philosophieprofessorin gesagt. Sein und Nichts. Nichts und Sein. Nichts. Nichts. Nichts.
Heute bin ich ausgeschlafen. Draußen bei meiner Bahn an der Stadtmauer ist niemand unterwegs. Mein Gang ist schnell. Ich entspanne meinen Körper aber nicht meinen Geist. Ich spüre die Spannung in mir. Wie es sich wohl anfühlt, wenn man wieder draußen rumlaufen darf, ohne Angst zu haben sich bei den Sicherheitskräften verantworten zu müssen, in der Hoffnung die richtigen Wörter gewählt zu haben. Ich laufe schnell, hin und und zurück, hin und zurück. Mein Gesicht ist angespannt.
Mein Mann ist früh von der Arbeit zurück. Ins Büro darf er nicht mehr. Vor dem Mittagessen spielen wir wieder Boccia im Garten. Eine Möglichkeit sich zu bewegen ohne vor die Tür zu gehen. Er gewinnt und freut sich wie ein kleiner Junge.
Am Abend schauen wir „Report“ im italienischen Fernsehen. Die Situation der Krankenhäuser ist katastrophal. Im Süden ist es noch viel schlimmer. Der Virus darf dort nicht hingelangen, schon jetzt herrscht dort Chaos. Krankenwagen ohne Schutz mit Kranken, die stundenlang vor den Krankenhäusern warten. Pflegepersonal ohne Schutzkleidung. Kranke, die sich erst im Krankenhaus mit dem Virus anstecken. Die viel zu spät behandelten Menschen, die erst bei Atemnot ins Krankenhaus geleifert werden, wo es an Beatmungsgeräten fehlt…
Seit Jahren wird in Italien bei der Gesundheit und Bildung gekürzt. Italien konnte sich nicht auf die Coronakrise vorbereiten. Nicht in diesen Zuständen, ohne Geld, ohne Personal. Ich denke an die europäische Sparpolitik, die die ärmeren Länder in die Knie gezwungen hat, aber auch an die Missstände und Korruption im Land.
Heute Nacht konnte ich nicht schlafen. Vielleicht zu wenig Bewegung. Die Müdigkeit geht nicht aus den Knochen. Draußen, als ich mit meinem Mann die Bahnen auf und ab gehe, hält die Stadtpolizei neben uns. Sie sagen nichts. Ich gehe einfach weiter. Sie fahren wieder los. Kurze Zeit später kommen sie wieder zurück und halten erneut neben uns. Wieder beobachten sie uns nur.
„Lass uns nach Hause gehen, es ist besser so“, sage ich zu meinem Mann. Er erklärt mir, warum sie kein Recht haben uns zu bestrafen. Davon habe ich aber nichts. Ich glaube, die Interpretationen könnten willkürlich sein. Aber sie haben uns ja gar nichts getan, denke ich dann. Sie haben uns nur beobachtet. Ich mag aber nicht beoachtet werden. Es gibt mir das Gefühl bei Georges Orwells 1984 zu sein.
Wenn die Krise vorbei ist, werden wir alle unsere Freunde besuchen, auch die die wir schon lange nicht mehr gesehen haben. Ich möchte das Meer sehen und die Berge. Jetzt sehe meine Freunde in ihren Häusern sitzen, jeder für sich.
Immer wieder tauchen Statements der Fürsprecher der absoluten Quarantäne in den sozialen Medien auf. Sie sind für eine diktatorische Kontrolle wie in China, plädieren für Durchhalten und sind davon überzeugt, dass Fahradfahrer und Jogger andere Menschen infizieren. Sie seien es Schuld, wenn die Quarantäne so lange dauere. Es gibt Facebookgruppen die einzig dafür geschaffen sind, um Fahradfahrer und Läufer anzuzeigen.
An der Straße, an der ich jeden Tag meine Bahnen auf und abgehe, hängt jetzt ein Trasparent. „Wenn ich einen Spaziergänger sehe, schreie ich laut.“ Zum Glück ist gerade niemand auf dem Balkon.
Heute ist Samstag. Obwohl alle Tage gleich sind, finde ich ihn einen besseren Tag. Ich gehe mit meinem Mann raus, zum Orangenkaufen. Auch letzten Samstag haben wir Orangen gekauft. Ich habe Kopfschmerzen. Ich laufe in einiger Entfehrnung von meinem Mann, denn eigentlich darf man nur allein raus. Ich glaube, meinen Mann macht das nervös. Mein Gesicht zieht sich zusammen. An jeder Ecke wittere ich Polizeikontrolle. Ein Kind sitzt mit seinen Eltern am Bordstein und spielt Bagger. Ein seltener Anblick. Wir kommen unter der Unterführung durch. Hier ist die Grenze, dahinter darf man nur mit trifftigem Grund. Orangenkaufen. Ich küsse meinen Mann. Er lächelt. Meine Gesicht entspannt sich ein bisschen. Neben uns liegt eine Wiese, über die man nicht mehr laufen darf. Dann die Bar, neben einem kleinen Platz, wo Mittwochs vor der Corona Krise immer Markt war, und wo ich immer einen Kaffee getrunken hatte, bevor ich dort eine Runde drehte. Ach das waren Zeiten. Wie es sein wird, wenn es wieder Märkte gibt, und offene Bars. Wir treten in das kleine Geschäft und kaufen Orangen. Eine Frau starrt meinen Mann böse an.
Ich wache wieder viel zu früh auf. Doch tue ich nichts. Lese im Internet über Corona. Die Zeit vergeht. Mein Vater ruft an. Mein Bruder ruft an. Es ist zwölf Uhr. Ich stehe auf, dusche und gehe raus, mit meiner Autocertificazione. Mittlerweile ist das vierte oder fünfte Modell rausgekommen. Wichtig ist es, das neueste ausgedruckt zu haben. Wie ich es genau auszufüllen habe, bleibt mir immer noch ein Rätsel. Interpretationsmöglichkeiten.
Draußen ist es milder geworden. Ich laufe meine Bahn auf und ab und filme meine leere Bahn beim Laufen. Nur meine Schritte hört man. Das frische Grasgrün mischt sich mit dem grauen Asphalt. Ich komme an den Aschentonnen vorbei. Am Ende des Weges taucht eine Frau mit Mundschutzmaske und Sonnenbrille auf. Sie bringt ihren Hund raus. Der Hund will nicht laufen. Er zieht an der Leine. Dann biegt ein Militärauto in die Straße ab. Ich halte meine Luft an.
Ich bin müde. Mein Mann kommt nach Hause. Er ist aufgeregt. Heute Abend gibt er ein Live-konzert über einen Musiksender. Ich soll die Videoaufnahme machen. Die ganze Wohnung ist eine Bühne, von der Waschmaschine zum Balkon. Ich lege mich schlafen, um für die Aufnahmen fit zu sein.
Blei liegt in meinen Knochen. Draußen Sibirien. Ich friere. Wieder messe ich mir die Temperatur: 36.8. Ich fühle mich eingeschlossen in meinem Körper. Ich bin ein freiheitsliebender Mensch, ein Luft- und Wandervogel. Das Eigesperrtsein in unserem goldenen Käfig mit frischen Nudeln, Obst- und Gemüse, Fisch und Fleisch, Wein und Bier, griechischem Joghurt und indischen Würzpasten macht mir zu schaffen. Ich schaffe es weder zu lesen und mich zu entspannen noch aufzuräumen. Ich bin ein eingesperrter Tiger. Ich spüre es in meiner Brust. Ich will raus.
Nach dem Kaffee und den Keksen drehe ich meine Runde. Zweihundert Meter in die eine Richtung, dann zurück, zweihundert Meter, wieder kehrt, zweihundert Meter, und nocheinmal. Der kalte Wind schneidet in mein Gesicht. Nach einer halben Stunde kehre ich heim. In der Wohnung ist es stickig. Ich mache Durchzug.
Meine Nachbarin oben hat Mann und Kinder rausgeschickt. Sie desinfiziert die Wohnung zusammen mit ihrer Mutter, nehme ich an. Sie ist auch sonst eine Sauber- und Ordnungsfanatikerin. Ich höre ihr Geschrei und Möbelverrücken.
Unsere Wohnung verändert sich immer mehr. Mein Büro ist im Bett und im Wohnzimmer. Der Sessel aus meinem Zimmer steht auf dem Balkon. Das Aufnahmestudio meines Mannes ist in der ganzen Wohnung. Das Klopapier ist nun in der Küche, da mein Mann morgen in der Abstellkammer auftritt, vor der ein Vorhang hängt. Auch dort hängt nun ein Strobolicht.
Wir gehen im Garten Boccia spielen, obwohl es regnet.
Es ist eisig kalt. Mir ist heute morgen ein wenig schwindelig. Ich raffe mich auf. Bewegung brauche ich, um meinen Kreislauf wieder in den Gang zu bringen. Ich ziehe mich dick an und bringe den Abfall raus. Danach drehe ich meine Bahnen. Sibirischer Wind knallt mir ins Gesicht. Drei andere Menschen mit Hunden sind unterwegs und ein Abfalldienst. Nach fünfzehn Minuten wärmt mein Körper. Ich laufe noch weiter fünf Minuten, dann gehe ich nach Hause zurück.
Bald ist Ostern. Ich schaue noch einmal auf den Kalender, um mich zu vergewissern. All die riesigen Ostereier aus Schokolade werden dieses Jahr in den Supermärkten vergammeln. Wem sollte man sie schenken. Bei meinem Nachbarn standen die anderen Jahre mindestens zehn Eier auf dem Wohnzimmerschrank. Und die vielen Colombakuchen, die überall während der Osterzeit verspeist werden? Und die Verlosungen von Esskörben in den Bars? Auch die werden dieses Jahr ausfallen.
Ich rufe bei der Post an, da im Fernsehen gesagt wurde, die Postämter seien auf. Die Post in meinem Viertel, wo mein Einschreiben liegt, ist immer noch geschlossen. Die Frau im Call-Center gibt mir eine andere Adresse. Ich fahre dorthin, mit dem Auto. Seit drei Wochen fahre ich kein Auto. An der Post gibt es keine Schlange, nur Menschen die wie abstoßende Atome zusammengewürfelt auf dem Parkplatz stehen. Mindestabstand zehn Meter. Wenn sich eine Person bewegt, bewegen sich die anderen mit, um den Abstand zu bewahren. Ich frage, wer der Letzte ist. Es dauert eine Zeit, bis eine vermummte Afrikanerin antwortet: „La signora li“, und zeigt auf eine Frau neben mir. Es ist kalt. Ich bewege mich auf der Stelle, um nicht zu frieren. Immer wieder kommen Leute und fragen, wer der Letzte ist. Eine Frau im Taillieur und mit Stöckelschuhen erscheint. In dieser Zeit eine irreale Erscheinung.