Sperrzone Tag 12

Gestern sind in Italien an die achthundert Menschen an dem Virus gestorben. Nun darf man sich nur noch vor der Haustür die Beine vertreten, wenn es nötig ist. Ich vertrete mir die Beine und laufe die Straße auf und ab, neben den Bäumen lang. Zum Glück gibt es hier Bäume. Wieder höre ich die Vögel zwitschern. Zum Glück gibt es hier Vögel. Das Gras unter den Bäumen ist schon kniehoch. Ein alter Mann kommt mir entgegen. Ich weiche ihm aus und laufe auf der Mitte der Straße weiter. Es fahren sowieso keine Autos mehr. Als ich am Ende meiner Bahn ankomme, laufe ich zurück und begegne wieder dem Alten. Ich weiche ihm erneut aus. Ein Hund bellt am Fenster. Er steht mit den Beinen in einem Blumenkasten. Wie im Schwimmbad mache ich meine Bahnen. Eine halbe Stunde lang. Dann kehre ich nach Hause zurück. Ich spiele Devil Stick, ein akrobatisches Spiel, dass ich als Jugendliche gespielt habe. Ich habe es in der Abstellkammer im Garten gefunden.

Das Sein zum Tode hat Heidegger als einziges autentisches Dasein definiert. Erst, wenn man sich des Todes bewusst wird, existiert man als Ganzes. Die Angst vor dem Tode bringt den Menschen in Kontakt zu sich selbst. Vor dem Tod steht man allein. Nur, wenn man den Tod mit in Anbetracht zieht, stellt man sich all seiner Möglichkeiten.

Ich werde immer mehr zum Kind. Wahrnehmung der Planzen, der Wiese, der Boccia Kugeln im Garten. Nichts. Dem Nichts ins Auge sehen. Wieder kommen schlimme Nachrichten im Fernsehen. Ich versuche mich fallenzulassen. Vielleicht die einzige Möglichkeit. Unsere Welt ist klein geworden und zugleich riesig. Überall herrscht die Pandemie, aber das, was wir wahrnehmen ist unsere nächste Umgebung, die immer winziger wird.

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