Heute ist mein Mann zu Hause. Er hat unsere Wohnung in ein Aufnahmestudio und in ein Theater verwandelt. Überall hängen und liegen Schilder, bunte Lichter, Noten, Musikinstrumente. Auch in meinem Bett sind nun grüne Strobolichter angebracht, auf der Kloschüssel stehen Zitate von den Ramones, ein kleines Schlagzeug steht auf der Komode. Als sollten hier Geister auftreten, an den Wänden, an der Decke oder aus der Kanalisation. Mein Mann ist verpfichtet worden, Ferien zu nehmen. Ich hoffe, er wird sich durchsetzten, damit ihm nicht die ganzen Ferien des Jahres abgenommen werden. Denn nach der Quarantäne möchte ich hier raus. Und das nicht allein.
„Wir müssen hier raus, das ist die Hölle
Ton Steine Scherben 1972
Wir leben im Zuchthaus
Wir sind geboren, um frei zu sein“
Das Militär soll eingesetzt werden, um die Leute zu kontrollieren. Menschen, die schon seit Wochen zu Hause sitzen, ohne an die frische Luft zu kommen, denunzieren andere, die sich die Beine vertreten. Es ist immer noch erlaubt, vor der Haustür spazieren zu gehen, aber trotzdem werden die, die draußen laufen, als Schuldige gebranntmarkt, auch wenn sie einen riesigen Abstand zueinander halten. Zum Glück lese ich nun immer mehr andere Meinungen. Die Arbeiter der Fabriken, die nicht notwendige Waren produzieren, wollen streiken. Auch sie haben ein Recht auf Unversehrtheit. Warum wird die Waffenproduktion eigentlich nicht eingestellt? Waffen sind nicht nötig, um Menschen gesund zu halten. Oder wollen sie den Virus mit Panzern oder Granaten erschießen? Dronen sollen eingesetzt werden, um die Bevölkerung zu kontrollieren. Es ist mir unwohl heute. „Wir leben in einem Zuchthaus“, kommt mir wieder in den Sinn. Ich lese von Menschen, die sich das Leben nehmen, weil sie das Eingeschlossensein nicht mehr aushalten. Wissenschaftler warnen, dass die Isolation noch viel größere Schäden anrichten kann als das Virus selbst. Die Demokratie wird in Gefahr sein. Immer öfters lese ich in Posts, dass die Spaziergänger nicht die Gefahr sind. Dass der Virus nicht in der Luft hängt, sondern durch menschlichen Kontakt übertragen wird. Ich fühle mich eingesperrt. Ich will hier raus. Irgendwohin, weit weg, ins Gebirge, in den Wald, auf eine Insel. Zurück in die Vergangenheit, vor dem Coronavirus.
Zum Glück muss ich heute zur Bank. Auf dem Weg dorthin sehe ich weder Militär noch Polizei, nur ein Auto von den „Vigili Urbani“. Der Burgplatz ist Menschenleer. vor einem Supermarkt stehen die Leute Schlange, im Abstand von zehn Metern. Jeden Tag wird der selbstauferlegte Abstand größer. An der Bank wird mir ein Dokument rausgereicht, dass ich vorher telefonisch bestellt habe. Die Angestellte mit Mundschutzmaske kann nicht mehr lächeln. In ihrem Gesicht steht die Angst geschrieben.
Wieder zu Hause spiele ich mit meinem Mann Boccia im Garten. Dieser geschützte Raum spendet Geborgenheit. Ein kühler Wind weht, aber sie Sonne strahlt warm auf die Wiese. Ich beobachte die Schatten, die die Sonne durch die Bäume wirft.
(You Tube Video entfernt).