Es ist Samstag. Ich sitze mit meinem Mann im Bett und frühstücke. Draußen ist das Wetter nicht so schön. Trotzdem wären wir normalerweise rausgefahren, irgendwohin, in die Appeninen, nach Bologna, nach Venedig, zu den Colli Euganei oder ans Meer. All diese Orte lagen nun unerreichbar entfehrnt. In den Colli Euganei waren die ersten Coronavirusfälle gefunden worden und Vò hatte unter Quaratäne gestanden. Jetzt gab es dort keinen Infizierten mehr.
Wir entschließen uns auf der Stadtmauer lang zu laufen, mit einer ausgefüllten Genehmigung. Einige Menschen sind dort unterwegs. Der Wind bläst mir ins Gesicht und ich fühle mich lebendig. Wir laufen wieder übers Gras, wo keine Menschen gehen. Noch nie habe ich die Stadtmauer so bewusst wahrgenommen. Nur wenige Autos fahren an der Hauptstraße vorbei. Die stille Stadt wird von den Vögeln zurückerobert, die ich jetzt überall hören. Die Baukronen rauschen und es macht mir nichts aus, dass es bald anfängt zu regnen.
Am Abend lese ich auf Whatsapp, dass alle Parks und die Stadtmauer geschlossen werden. Zu viele Menschen würden sich dort aufhalten. Du sollst zu Hause bleiben, wird immer wieder wiederholt. Mit Strafen wird gedroht. Drei alte Männer im Park sind angezeigt worden, weil sie Karten gespielt haben. In einer Whatsappgruppe wird diskutiert, was man darf und was nicht. Bewegung ist erlaubt, es gehört zu den Grundbedürfnissen. Trotzdem sollte man sie einschränken. Auf Facebook lese ich von Leuten, die mit Hundeattrappen durch die Stadt ziehen. Ich denke, wir werden langsam alle verrückt. Hunde ausführen gehört auch zu den Grundbedürfnissen.
Abends beim Fernsehen wird in der Werbung immer wieder BLEIB ZU HAUSE ausgestrahlt. Italien hat 17660 Infizerte, 2547 neue Fälle und 1268 Tote, davon sind 252 heute gestorben, die meisten in der Lombardei. Es läuft mir kalt den Rücken runter. Seit Anfang der Sonderbestimmungen werden die Toten nicht mehr begraben und auch Hochzeiten sind verboten.